Kein Bezahlen mit Userdaten: Small Web als Alternative zu Facebook

Kein Bezahlen mit Userdaten: Small Web als Alternative zu Facebook

03.11.2021

Barbara Wimmer

Ein öffentlicher Park im Netz statt ein Einkaufszentrum: Wie ein Programmierer eine Alternative zu Big Tech schaffen will.

Kein Bezahlen mit Userdaten: Small Web als Alternative zu Facebook

Der Programmierer und Internet-Vordenker Aral Balkan will die digitale Welt nachhaltig und dezentral gestalten. Er arbeitet seit Jahren an Lösungen, um dies zu erreichen. Bei der „Privacy Week“, einer Online-Konferenz des Chaos Computer Club Wien (C3W) für mehr Privatsphäre im digitalen Zeitalter, zeigte er eine Demo seines Projekts „Small Web“.Dieses Projekt will das Internet wieder zu einem „öffentlichen Park“ machen, den jede*r aufsuchen kann, ohne etwas zu konsumieren, oder Daten über sich hergeben zu müssen. „Wir können Technologie anders gestalten als es im Silicon Valley üblich ist“, sagte Balkan bei der Präsentation. Der Programmierer hat dazu die „Small Technology Foundation“ gegründet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, mit Technologie das menschliche Wohlbefinden zu steigern, und nicht die Profite von Unternehmen.

Alternative zu Facebook

Mit seinem Projekt „Small Web“ möchte er einen öffentlichen Raum kreieren, der von jede*r genutzt werden kann, der aber so einfach zu bedienen ist, wie das Aufrufen einer Domain im Web. Auf small-web.org gibt es bisher noch nicht viel zu sehen, aber bei der „Privacy Week“ zeigte Balkan, woran er aktuell seit knapp einem Jahr arbeitet. Die Benutzeroberfläche für die „normale Anwender*in“ ist allerdings noch nicht fertig. Er zeigte, wie kleine Organisationen das „Small Web“ nutzen können, um etwa dezentrale Server aufzusetzen, die dann verwendet werden können, um soziale Verlinkungen und Profile zu generieren. "Beim Small Web geht es darum, dass jeder seine Online-Präsenz kontrollieren kann", so Balkan.Das „Small Web“ soll auch interoperabel sein und Nutzer*innen sollen auch mit ihren Inhalten umziehen können. „Wir wollen mit dem Projekt keine Konkurrenz zu Big Tech schaffen, sondern eine Alternative bieten, das Web abseits der großen Tech-Dienste aus dem Silicon Valley zu nutzen“, sagte Balkan. Facebooks bzw. Metas (der Konzern hat sich vor kurzem umbenannt) Ziel, alle Menschen miteinander vernetzen zu wollen, sei eine Lüge, so Balkan: „Stattdessen zielt Facebook darauf ab, alle Menschen mit Facebook zu vernetzen.“Er wolle Menschen ihre digitalen Rechte und ihre Kontrolle im Netz zurückgeben, in dem sie selbst entscheiden können, welche Daten sie mit wem teilen. Dazu bräuchte es aus seiner Sicht aber eine spezielle Art der Regulierung: Er schlägt die GDMR vor, eine General Data Minimalisation Regulation, also ein Gesetz, durch das Daten auf den jeweiligen Geräten, die von Menschen verwendet werden, privat und verschlüsselt am Gerät belassen und nicht mit den Anbietern geteilt werden.Das wäre laut Balkan in der EU „einfach“ umsetzbar, sei aber nicht erwünscht. Er habe über diese Idee bereits mehrfach Vorträge vor dem EU-Parlament gehalten. Seine Begründung, warum wir so etwas brauchen würden: „Wir reden von Daten immer über etwas, das mit uns nichts zu tun hat. Dabei sind Daten eigentlich wir. Wir Menschen und die Geräte sind Erweiterungen von uns, egal ob das jetzt das Smartphone ist, oder ein implantierter Chip, oder ein Haushaltsroboter im Smart Home.“

Enttäuscht von Apple

Für Balkan sind Unternehmen wie Facebook, Google, aber auch Apple - also Konzerne, die im Silicon Valley angesiedelt sind - unter dem Begriff „Big Tech“ zu summieren. „Big Tech ist ein Virus, Small Tech die Impfung“, erläuterte er in seinem Vortrag. Besonders enttäuscht ist Balkan mittlerweile von Apple. „Vor ein paar Jahren habe ich allen Menschen empfohlen, statt auf Android auf Apple zu setzen. Ich habe propagiert, dass man bei Android-Smartphones selbst zum Produkt wird, wenn man alle Google-Dienste auf dem Smartphone aktiviert und bei Apple zahlt man für das Smartphone, aber die eigene Privatsphäre bleibt danach geschützt“, erklärte Balkan. „Doch jetzt ist Apple von diesem Weg abgekommen“, so der Netzaktivist.Einerseits wisse man nun, dass Apple in China bei der Verschlüsselung von Nutzer*innendaten Kompromisse mit dem Regime eingehe, so Balkan. Damit mache sich der Konzern als Schützer der Privatsphäre unglaubwürdig. Andererseits hatte Apple angekündigt, dass alle Bilder der Nutzer*innen künftig nach Kinderpornografie gescannt werden sollen. Für den Abgleich soll auf die Geräte eine Datei mit sogenannten "Hashes" solcher Fotos geladen werden - eine Art digitaler Fingerabdruck des Bildes. Darüber lässt sich ein ähnliches Foto erkennen, es kann aus dem Hash aber nicht wiederhergestellt werden.„Diese Ankündigung ist ein Dammbruch“, so Balkan. „Damit habe ich jegliches Vertrauen in Apple verloren.“ Mit der Einführung von Scans privater iOS-Geräte wird die Tür für weitere staatliche Überwachungsmaßnahmen geöffnet. Obwohl das von Apple "neuralMatch" genannte System offiziell nur für die Suche nach Bildern von sexuellem Kindesmissbrauch benutzt werden soll, könnte es in der Theorie aber auch für Scans nach jeglicher Art von Bildern und Texten adaptiert werden.Auch das Metaverse schneidet bei Balkan nicht gut ab. „Was Facebook bzw. Meta plant, ist, eine Erweiterung der Möglichkeit, noch mehr Emotionen der Nutzer*innen an Geschäftskunden zu vermieten und damit Profit zu machen“, sagte der Netzaktivist. Aus seiner Sicht gelte es daher, Alternativen zu „Big Tech“ zu schaffen.