Warum der lokale Handel von Multichannel-Modellen profitiert

Warum der lokale Handel von Multichannel-Modellen profitiert

Der Minister fasst die Lage prägnant zusammen: „Die Wirtschaft zeigt sich während der Pandemie überraschend robust, der Einzelhandel allerdings ist hart getroffen“. Es sei sein politisches Ziel, dass Handel und Innenstädte überlebten, erklärt der Minister. Die Digitalisierung sei dabei kein Problem, sondern vielmehr ein Teil der Lösung: „Der Handel muss seine Ladentheke ins Netz erweitern.“ Eine Herausforderung ‐ aber machbar, findet Altmaier und verspricht Händlern ein offenes Ohr für ihre Belange.

Fest steht, dass der Onlinehandel durch die Pandemie einen nie dagewesenen Schub erfahren hat. Umsatz und Reifegrad des E-Commerce befinden sich laut den Experten des IFH Köln heute auf einem Niveau, das ohne die Pandemie erst in vier Jahren erreicht worden wäre. Eine Entwicklung, die sich auch nach Einschätzung des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stephan Tromp, nicht zurückdrehen lässt.

Immerhin 50 Prozent der stationären Retailer seien bereits digital sichtbar, etwa indem sie auf Marktplätzen vertreten sind, erklärt Tromp. Für ihn ein guter Wert, allerdings auch einer mit Luft nach oben. „Denn was potenziellen Kunden heutzutage auf dem Smartphone nicht angezeigt wird, existiert für viele nicht“, so Tromp. Seine Idealvorstellung: eine Online-Produktsuche, die zugleich die Verfügbarkeiten im nahegelegenen stationären Handel abbildet.

Lokaler Handel auch künftig gefragt

Warum der lokale Handel von Multichannel-Modellen profitiert

Aber interessiert sich der Konsument nach Ende der Krise überhaupt noch für den lokalen Handel? Ja, sagt IFH-Geschäftsführer Boris Hedde. Umfragen belegten zwar den Wunsch nach Bequemlichkeit, aber auch nach Erlebnissen, wie sie der E-Commerce nicht bieten kann. Händler müssten beides bedienen, die Differenzierung von On- und Offline führe deshalb nicht zum Ziel. „Viele Verbraucher hegen den Wunsch, lokale Händler zu unterstützen – auf welchem Kanal sie das tun, ist letztlich egal“, sagt Hedde.

Eine Einschätzung, die sich in der Praxis bestätigt, wie Olivia Kempke vom Lübecker Wirtschaftsnetzwerk Lübeck Management ausführt: „Unsere lokalen Händler erleben, dass der gleiche Kunde über verschiedene Kanäle bei ihnen einkauft.“ Dadurch sinke die Hemmschwelle bei den Unternehmern, in den Aufbau eines Onlineshops zu investieren.

Damit sie künftig noch niedriger liegt, hat der Onlinemarktplatz Ebay gemeinsam mit dem HDE das Projekt „Ebay Deine Stadt“ gestartet. „Die neue Plattform bietet einen Mix aus Shopping- und lokalen Suchfunktionen“, erklärt Ebay-Deutschlandchef Oliver Klinck. So sei es etwa möglich, schnell und einfach alle Möbelanbieter in einer Stadt zu finden. Ob der Kunde dann dort online oder lieber vor Ort einkaufen möchte, bleibt ihm überlassen.

Nationaler Ebay-Marktplatz steigert Reichweite

Weil alle auf den lokalen Städte-Plattformen eingestellten Produkte zugleich auf dem nationalen Ebay-Marktplatz gelistet sind, ist der Kreis potenziell erreichbarer Kunden enorm groß. „Wir haben Händler, die verkaufen deutschlandweit oder sogar international“, so Klinck. Zur Aufgabe des physischen Geschäfts rät er dennoch nicht. „Die Customer Journey dauert künftig länger und beinhaltet mehr Touchpoints – einer davon wird der stationäre Laden bleiben“, ist Klinck überzeugt.

Was aber lässt sich noch tun, um in Zukunft Kunden dorthin zu locken? „Shopping muss mit nichtkommerziellen Themen der Freizeitgestaltung verbunden werden“, erklärt IFH-Chef Hedde. „Die Zukunft gehört dem eher beiläufigen Shopping.“ Kirstin Pukall, Referatsleiterin im Wirtschaftministerium, macht ein Defizit aus, das besonders Eltern betrifft: „Es gibt in Deutschland kaum Betreuungsangebote für Kinder in Innenstädten und Einkaufszentren.“ In anderen Ländern sei das üblich – und eine Möglichkeit, junge Familien anzuziehen.

Fazit: Der lokale Handel findet auch künftig nicht rein digital statt. Es gewinnt vielmehr, wer verschiedene Kanäle intelligent verknüpft. Tromp geht noch einen Schritt weiter: „Wir müssen uns fragen, wie sich die gesamte Innenstadt digitalisieren lässt. Denn wir brauchen Vernetzung und Interaktion aller Akteure, um mehr Schub für den Handel zu erreichen.“