Für 1.99 Dollar den Fünfliber nach Hause geliefert

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Für 1.99 Dollar den Fünfliber nach Hause geliefert

Für 1.99 Dollar den Fünfliber nach Hause geliefert

Aliexpress machts möglich: wie eine Shoppingplattform Dinge im juristischen Graubereich verkauft.

Adrian Sulc

Aktualisiert: 08.02.2017, 22:20

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Der Verkäufer macht gar keinen Hehl daraus, dass es sich nicht um eine echte Münze handelt. «Copy coin» nennt er das Fünffrankenstück, das er auf Ali­express feilbietet. Die Plattform ist Teil von Alibaba, dem chinesischen Internethandelskonzern. Über sie verkaufen chinesische Hersteller und Zwischenhändler Heimelektronik, Kleider, Accessoires sowie allen nur erdenklichen Krimskrams. Das Bestechende an der Plattform: die Preise. Weil die Ware direkt von China zum Kunden verschickt wird, sind die Produkte teilweise enorm günstig. Grund dafür sind auch vorteilhafte Posttaxen, doch dazu später.

Auch der falsche Fünffränkler hat lediglich 1.99 US-Dollar gekostet, Porto inklusive. Vom Schweizer Zoll ungeöffnet und mit einem «Abgabefrei»-Kleber versehen trifft der luftgepolsterte Brief einige Wochen nach Bestellung beim Käufer ein. Die Münze hat eine leicht gelbliche Verfärbung, und die Randprägung fehlt. Das würde beim Bezahlen jedoch kaum auffallen. Wer es ausprobiert, macht sich dabei allerdings strafbar.

Der Zoll kann nicht alles öffnen

Hätte der Zoll den Brief geöffnet, wäre die Münze wohl beschlagnahmt worden, wie Lulzana Musliu, Sprecherin des Bundesamts für Polizei (Fedpol) sagt. Da die gefälschte Münze mit dem Jahrgang 1954 versehen ist, sei sie jedoch eher als Sammlerstück zu verstehen. Trotzdem müsste irgendwo auf der Münze ersichtlich sein, dass es sich um eine Kopie handelt, sagt Musliu.

Das Fedpol führt eine detaillierte Statistik über Falschgeld: So sind 2015 in der Schweiz über 7600 gefälschte Fünfliber aufgetaucht – es ist die mit Abstand am häufigsten gefälschte Schweizer Münze. Der Zoll hat keine Chance, solche Sendungen systematisch herauszufiltern. Denn gemäss der Post kommen pro Tag rund 20'000 Kleinsendungen aus Asien in der Schweiz an – viel zu viele, um jeden Inhalt zu kontrollieren. Zudem wäre bei diversen Sendungen nicht klar, ob das Produkt beschlagnahmt werden müsste.

Denn zumindest auf Aliexpress finden sich keine klassischen Fälschungen bekannter Markenartikel. Dafür aber diverse Nachahmerprodukte. So ist der Schweizer Sackmesser-Hersteller Victorinox gleich mehrfach betroffen. Seine Swisscard (ein Taschenmesser im Kreditkartenformat) wird von diversen chinesischen Herstellern nachgeahmt. Auch die «Swiss Military»-Uhren von Victorinox und Rucksäcke der Victorinox-Tochter Wenger finden sich auf der Plattform. Alles ohne Markennamen, aber mit Schweizerkreuz und in täuschend ähnlichem Design.

Victorinox lasse «im Rahmen eines Anti-Piraterie-Programms in China» auch Aliexpress systematisch überwachen, schreibt Victorinox-Kommunikationschefin Claudia Mader. Die Hersteller und Verkäufer der Kopien zu verfolgen, sei jedoch nicht das Ziel, der grosse juristische Aufwand wäre nicht zu rechtfertigen. Das Unternehmen mit Sitz in Ibach bei Schwyz setzt stattdessen darauf, die Angebote auf den Internetplattformen löschen zu lassen – mit dem Verweis auf Verletzung des geistigen Eigentums von Victorinox (Markenrechte, Patente und Designs). Pro Monat würden über 1000 Angebote auf chinesischen Plattformen gelöscht, so Mader.

Mit einigen auf Aliexpress angebotenen Produkten werden nicht nur die Rechte einzelner Unternehmen verletzt, sondern auch Schweizer Gesetze. So bei Uhren, die ein «Swiss made» oder «­Genève» auf dem Zifferblatt tragen, obwohl sie aus einer chinesischen Fabrik stammen. Die billigen Batterieuhren werden zu Preisen ab 2 Dollar verkauft – ein Preisniveau, bei dem Schweizer Uhren unmöglich mithalten können.

Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie versucht, so gut es geht, solchen Angeboten Herr zu werden. ­Allein letztes Jahr liess er insgesamt 1,3 Millionen Angebote auf diversen Internetplattformen löschen – vor allem explizit gefälschte Uhrenmarken. Bei falschen geografischen Angaben sei die Löschung der Angebote schwieriger, schreibt Yves Bugmann, Leiter der Rechtsabteilung des Uhrenverbandes. Der Verband benötige dafür in China ein richterliches Urteil. Bugmann beklagt auch die langen Reaktionszeiten der chinesischen Internetplattformen.

Die Post erhält mehr Geld

Diese benötigten teilweise eine Woche für eine Löschung. Nicht nur Schweizer Uhrenherstellern, auch der Post sind Ali­express und ähnliche Websites ein Dorn im Auge: Für das Vertragen der täglich 20'000 Kleinpakete aus Asien wird sie gemäss eigenen Angaben nicht kostendeckend entschädigt, weil China beim Weltpostverein derzeit noch als Entwicklungsland gilt und deshalb nur kleine Beträge aus Portoeinnahmen an ausländische Postorganisationen abgeben muss.

Das wird sich ändern, wie der Weltpostverein letzten Herbst entschied: Bis 2021 muss die chinesische Post gut 60 Prozent mehr an die Empfänger­länder von Auslandpaketen zahlen als heute. Das ist für die Schweizer Post ein signifikanter Beitrag. Doch auch wenn Chinas Post und die Alibaba-Händler die Portoerhöhung an die Kunden rund um den Globus weitergeben: Es wird sie kaum vom Bestellen abhalten. Wo sonst gibt es einen Fünfliber mit so viel ­Rabatt?

Was ist Alibaba?

1999 gründete der Chinese Jack Ma das Internethandelshaus Alibaba. Der seit 2014 an der New Yorker Börse kotierte Konzern besteht aus diversen Plattformen. Kern des Geschäfts ist Alibaba, eine Business-to-Business Plattform für Waren aller Art. Jedermann darf sie benutzen, doch meistens sind die Mindestbestellmengen deutlich zu gross für Private. Abhilfe schafft Aliexpress, wo chinesische Händler Kleinmengen verkaufen. Taobao ist das chinesische Pendant zum Internet-Auktionshaus eBay. Mit Alipay hat Alibaba ein eigenes Bezahlapp lanciert, das demnächst auch hierzulande funktionieren soll. Dazu kommen weitere Websites, digitale Dienste und Medien. (sul)

Publiziert: 08.02.2017, 07:03

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