Unser Umweltproblem: Zu viel Geld!

Unser Umweltproblem: Zu viel Geld!

Der ökologische Fussabdruck der von uns konsumierten Produkte und Dienstleistungen ist enorm. Unsere Studien haben ergeben, dass durch den Kauf von Produkten und Dienstleistungen je ausgegebenem Euro durchschnittlich 0,2 kg CO2-Äquivalente ausgelöst werden (respektive 500 Umweltbelastungspunkte UBP). Etwa sechzig Prozent der Umweltbelastung entfallen allein auf die Lebensbereiche Ernährung, Wohnen und Mobilität. Hier sind vor allem massgeblich: Fleischkonsum, Heizen und Autofahren. Besonders bemerkenswert: Etwa zwei Drittel unseres ökologischen Fussabdrucks entstehen «indirekt» durch den Kauf von Produkten, die im Ausland hergestellt wurden. Die Umweltschädigung geschieht also vorwiegend im Ausland, der Nutzen fällt hingegen bei uns an.

Rainer Bunge

Rainer Bunge ist an der OST – Ostschweizer Fachhochschule Professor für Umwelttechnik. Er bildet im Studiengang Erneuerbare Energien und Umwelttechnik Studierende aus und forscht als Institutspartner aktiv am UMTEC Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik; vor allem in den Bereichen Verfahrenstechnik und Recycling.

Abfall ist nicht das Problem

Noch bemerkenswerter: Die Entsorgung von Abfällen und Abwasser steuert nur 2,5 Prozent zu unserem ökologischen Fussabdruck bei. Hieraus folgt, dass eine signifikante Verbesserung des ökologischen Fussabdruckes in Ländern mit einer geordneten Abfallwirtschaft nicht durch ein noch besseres Abfallmanagement zu erreichen ist. Die in diese Richtung abzielenden Bemühungen, wie zum Beispiel ein weiter forciertes Kunststoffrecycling, dürfen wohl zu Recht als «wirkungslose Rituale» bezeichnet werden. Durch deren Vollzug kann man sich zwar politisch profilieren, und der Bürger darf sich «besser» fühlen, aber im Grunde handelt es sich um kostspieligen Aktionismus ohne einen merklichen ökologischen Effekt.

In einer geordneten Entsorgungswirtschaft, wie in den DACH-Staaten (Deutschland, Österreich, Schweiz), liegt das Umweltproblem also nicht in der Entsorgung der von uns gekauften Produkte am Ende ihres Lebenszyklus (=Abfallphase). Es liegt vielmehr in der Umweltbelastung, welche die von uns konsumierten Produkte bei ihrer Herstellung im Ausland auslösen. Damit stellt sich die Frage, wie man die ökologischen Auswirkungen unseres Konsums zurückdrängen kann.

Ein Lösungsansatz beruht auf der Erkenntnis, dass alle konsumierten Produkte schliesslich zu Abfällen werden, wobei ein linearer Zusammenhang besteht: Doppelt so viele konsumierte Produkte führen zu doppelt so viel Abfall. Diese völlig korrekte Beobachtung führt leider häufig zu folgendem Fehlschluss: Halb so viel Abfall führt zu halbiertem Konsum. Dies ist offenkundiger Unsinn, denn der Zusammenhang zwischen Konsum und Abfall ist nicht umkehrbar – ebenso, wie ich einen Hund an der Leine ziehen kann, ihn aber nicht mittels Leine «schieben» kann. Dennoch scheint diese unsinnige Idee durchaus verbreitet und ist möglicherweise die Wurzel der Obsession der deutschen Umweltpolitik mit dem Thema Abfallvermeidung. In Ländern mit einer geordneten Abfallwirtschaft besteht kein Grund, Abfälle zu vermeiden.

Unser grösstes Umweltproblem ist also nicht der Abfall, sondern der Umstand, dass wir ein hohes Einkommen haben und durch den damit erkauften Konsum die Umwelt schädigen. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich damit, wie wir dieses Einkommen so einsetzen können, dass der Schaden für die Umwelt minimiert wird.

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Was sollen wir nicht tun?

Wie bereits in der Einführung dargelegt, ist es völlig zwecklos die persönliche Umweltbilanz durch ein optimiertes Entsorgungsverhalten verbessern zu wollen, zum Beispiel durch die Vermeidung von Abfällen. Ebenso wenig zielführend ist die «Suffizienz», also der (partielle) Konsumverzicht. Diese Idee ist immerhin in sich schlüssig: Wenn ich weniger konsumiere, dann entsteht weniger Umweltschaden durch die Herstellung der Produkte in den Erzeugerländern. Allerdings lässt sich das Konzept der Suffizienz nur schwierig in unser volkswirtschaftliches und gesellschaftliches Gefüge einpassen (Stichworte: Marktwirtschaft, selbst-bestimmter Konsument). Ein häufig genannter Vorteil der Suffizienz ist, dass man nicht nur ökologischen Schaden vermeidet, sondern dabei auch noch «Geld spart». Und genau hier liegt das Problem. Wenn wir das «frei verfügbare Einkommen» des Konsumenten als Bilanzgrenze betrachten, dann stellt sich die Frage, was der suffiziente Konsument mit seinem Einkommen denn anstellen soll – wenn nicht konsumieren. Auch wenn das «gesparte Geld» vererbt wird, dann wird es durch die Erben in Konsum umgewandelt und schädigt die Umwelt nicht weniger, sondern zeitverschoben.

Was sollen wir tun?

Die ökologisch besten Kaufentscheide sind solche, bei denen der Konsument einen Nutzen für die Umwelt stiftet anstatt sie zu schädigen. Ein Beispiel hierfür ist der Erwerb von CO2-Zertifikaten zwecks ökologischer Kompensation von Flugreisen. Zwar werden solche Zertifikate häufig despektierlich als «Ablassbriefe» getadelt. Diese Kritik ist jedoch fehlgeleitet: Für die Umwelt macht es keinen Unterschied, ob ich eine Flugreise mit CO2-Zertifikaten kompensiere oder ob ich sie gar nicht erst antrete. Der für CO2 bekannte Zertifizierungsmechanismus sollte erweitert werden, und zwar auf Projekte, die eine umweltgerechte Herstellung der durch uns konsumierten Güter zum Ziel haben. Solche Projekte werden mit grösster Effizienz vor allem dort initiiert, wo am meisten Umweltbelastung entsteht, also in den rohstoffproduzierenden Schwellenländern. Denn Konsum ist nicht a priori ökologisch schlecht – schlecht ist «dreckiger» Konsum. Es gibt keinen guten Grund dazu den Konsum zu mässigen, sofern ausschliesslich Produkte konsumiert werden, die mit minimaler Umweltschädigung aus erneuerbaren Ressourcen gewonnen wurden und umweltgerecht entsorgt werden. Folglich wäre es sinnvoll, Geld zum Beispiel über einen Zertifikatehandel zur Unterstützung einer umweltgerechten Rohstoffgewinnung in die Schwellenländer zu kanalisieren.

In der Realität ist der Bürger in der Regel allerdings nicht dazu bereit, grössere Anteile seines Einkommens für Umweltmassnahmen aufzuwenden, die ihm persönlich keinen unmittelbaren Vorteil bringen sondern allenfalls einen langfristigen Einfluss zum Beispiel auf das Klima haben. Wesentlich ausbaufähiger sind Handlungsoptionen, die einen unmittelbaren persönlichen Lustgewinn vermitteln, aber die Umwelt möglichst wenig schädigen.

«Erlebnisse» konsumieren

Unser Umweltproblem: Zu viel Geld!

Eine Möglichkeit ist der Konsum von Dienstleistungen: Es ist wesentlich ökologischer mit dem Taxi zu fahren als mit dem eigenen Auto. Dies – je nach Entfernung – zum Beispiel in Kombination mit dem Zug: Taxi vom Wohnort zum Bahnhof, Zug zum Bahnhof der Zielstadt und dort nochmals das Taxi zum Bestimmungsort. Den Mehrkosten steht in diesem Fall ein unmittelbar greifbarer persönlicher Vorteil gegenüber: Man kann Alkohol trinken, braucht sich nicht mit den Verkehrsverhältnissen in einer fremden Stadt auseinandersetzen und kann sich entspannt chauffieren lassen. Aus dem Bericht geht ein weiteres Beispiel hervor: im Restaurant essen anstatt selbst kochen. Im Restaurant kann man sich von der Küche und vom Servicepersonal bedienen lassen und braucht anschliessend nicht den Tisch abzuräumen. In diese Richtung gehen übrigens auch die Empfehlungen der Glücksforscher: «Investiere Dein Einkommen in Erlebnisse und nicht in Dinge». Da «Erlebnisse» häufig mit Dienstleistungen zusammenhängen, so in einem guten Restaurant, im Wellnesshotel, bei der Massage oder dem Konzertbesuch, sind sie aufgrund ihrer «immateriellen» Natur nicht nur zumeist ökologisch besser als «Dinge». Sie sind vor allem teuer und lösen daher im Vergleich zu den Kosten weniger Umweltschaden aus.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin «Luxusgüter» zu konsumieren. So stiftet der Kauf einer schönen, aber teuren Uhr nicht mehr Umweltschaden als der einer Billiguhr. Der Kauf der Luxusuhr «vernichtet» aber sehr viel mehr Geld, welches an anderer Stelle ausgegeben einen wesentlich grösseren ökologischen Schaden auslösen würde. Analog beim Kauf von teuren Schuhen und Handtaschen. Man mag einwenden, dass sich für den Durchschnittsbürger – mangels Einkommen – die Frage «Luxusuhr oder Billiguhr» gar nicht stellt. Allerdings ist der Begriff «Luxus» relativ. Auch der weniger gut Verdienende kann sich «Luxusgüter» leisten: eine Uhr für 100 Franken anstatt 25 Franken, einen gelegentlichen Kinobesuch anstatt Fernsehen oder ein Essen im Fast-Food Restaurant anstatt zu Hause.

Weitere Handlungsoptionen können darin bestehen, das persönliche Einkommen zu verringern, indem man zum Beispiel Teilzeit arbeitet oder eine Frühpensionierung anstrebt.

Fazit: Der ökologisch beste Kaufentscheid ist nicht unbedingt das Produkt mit der tieferen Ökobilanz. Es ist das Produkt, welches pro ausgegebenen Franken den geringsten ökologischen Schaden erzeugt.

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