Auf riesigem Areal in Niederaula kontrolliert Zoll pro Monat 1,2 Millionen Päckchen

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Niederaula - Der Zoll hat wegen des Booms im Online-Shopping viel zu tun. Die Beamten kontrollieren im Postzentrum Niederaula Sendungen aus aller Herren Länder. Nicht selten finden sie Waffen, Fälschungen und fragwürdige Medikamente. Von Jörn Perske

Säckeweise türmen sich die Postsendungen aus aller Welt in großen Rollbehältern vor den Förderbändern. Durch den wachsenden Internethandel ist das Arbeitsaufkommen im Internationalen Postzentrum (IPZ) in Niederaula rasant gestiegen. Das IPZ in Osthessen ist nach dem Postzentrum im Frankfurt eines der größten bundesweit, wie der Zoll erklärt. Verarbeitet werden auf dem riesigen Areal in Niederaula vor allem kleinere Sendungen wie Maxibriefe oder Päckchen. Das aber in großer Zahl: 1,2 Millionen Sendungen laufen pro Monat auf.

Und die Zahl steigt wegen der Einkäufe im Web pro Jahr um 15 Prozent. Durch den Boom im Online-Geschäft haben auch die Beamten mehr Arbeit. Die Zöllner entdecken vermehrt Waffen, gefälschte Konsumgüter, Medikamente und gefährliche Waren, die nicht den Richtlinien der Produktsicherheit entsprechen.

Die Zöllner machen bei ihrer Arbeit zuweilen auch kuriose Funde – obwohl sie mühsam getarnt oder versteckt werden. Entdeckt wurden schon unter Artenschutz stehende Kakteen. Sie befanden sich verborgen in mexikanischen Folklore-Puppen. Kokain in Filzstiften, gefährliche Chemikalien und sogar radioaktiv strahlende Stoffe waren schon dabei.

Aufmerksamkeit erregen auch Sexspielzeuge aus Asien, die wegen mangelnder Produktsicherheit aus dem Verkehr gezogen werden. Besonders viel Post kommt mittlerweile aus China, laut Zoll sind es rund 70 Prozent der monatlich 1,2 Millionen Sendungen. Die Zahl der beanstandeten Päckchen steigt pro Jahr um etwa 25 Prozent, wie Zolloberinspektor Mario Wild sagt. Die Personalsituation spitze sich deswegen immer weiter zu. Sein Kollege Michael Bender erklärt: „Bei den Massen an Postsendungen kann hier nur risiko-orientiert kontrolliert werden. Alles in Augenschein zu nehmen, und hundertprozentige Sicherheit zu gewährleisten, ist unmöglich.“

Welche Postsendungen Verdacht auf sich ziehen und kontrolliert werden – das beruht auf Erfahrungswerten, wie Wild sagt. Einzelheiten möchte er nicht verraten. Dienstgeheimnis. Aber manche verdächtige Sendung lässt sich bereits ertasten. So zeigt Wild einen gepolsterten Umschlag. In ihm befinden sich Schlagringe. Immer wieder entdeckt werden auch Messer, Präzisionsschleudern und Stahlruten. „Diese Fälle werden dann zur Strafverfolgung an die Staatsanwaltschaft gegeben.“

In anderen Fällen ist es schwieriger, verbotene Waren aufzuspüren. Massenhaft werden auch Medikamente, Aufputsch- und Potenzmittel durch die Welt geschickt. Zolloberinspektor Wild überprüft eine verdächtige Sendung mit einem Röntgengerät, wie man es von Handgepäck-Kontrollen im Flughafen kennt. Auf dem Monitor sind deutlich kleine Ampullen zu erkennen. „Vermutlich Wachstumshormone“, sagt Wild, als er den Inhalt des geöffneten Päckchens genauer unter die Lupe nimmt.

Besonders häufig entdeckt werden auch Diätprodukte mit fragwürdigen Inhaltsstoffen oder Potenzmittel. „Vieles davon stammt aus China, Indien und Pakistan. Diese Präparate einzunehmen, ist lebensgefährlich. Sie können alles Mögliche enthalten“, warnt Wild. Wer solche Pillen privat bestellt, den erwarte ein Bußgeld. Wer in gewerblichen Mengen ordert, gegen den wird ein Verfahren eröffnet.

Das zahlenmäßig größte Problem sind für den Zoll die Verstöße gegen die Produktsicherheit, etwa wenn das CE-Zeichen auf den Waren fehlt oder es gefälscht wurde. Elektro- und Technikartikel, Werkzeuge und auch Spielzeuge sind oft davon betroffen. Sie werden beanstandet, weil sie für den Nutzer gefährlich werden können.

Eine gewaltige Welle an Arbeit erreichte den Zoll durch den kurzzeitigen Hype mit Fidget Spinnern. Bei den kleinen Handkreiseln handelt es sich um Spielzeug. Auch für sie gelten besondere Einfuhrvorschriften. Dabei geht es hauptsächlich darum, dass das Spielzeug sicher sein muss. Aber der Löwenanteil der meist aus Asien stammenden Handkreisel blieb bei den Zollkontrollen hängen. Etwa 18 000 Bestellungen pro Woche seien im Sommer aus dem Verkehr gezogen worden, erklärt Wild.Die Sendungen wurden wieder zurückgeschickt – sie wiesen zum Beispiel leicht abbrechende oder scharfkantige Teile auf.

Wie werde ich Anwärter/in beim Zoll?

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Tätig wird der Zoll auch, wenn es um Markenschutz und gefälschte Produkte namhafter Hersteller geht. Nachgemachte und zu günstigen Preisen angebotene Kleidung, Schuhe, Taschen, Parfüm und Accessoires werden entdeckt. Zolloberinspektor Wild hält eine Sonnenbrille eines italienischen Modelabels in der Hand, nachdem die Sendung von der Post für ihn geöffnet wurde. „Die ist auch gefälscht“, sagt er mit Kennerblick. Er vermisst zum Beispiel das CE-Zeichen. Das gesetzlich vorgeschriebene Prüfzeichen bezeugt vereinfacht gesagt, dass das Produkt den Handelsanforderungen der EU entspricht.

Wenn bei einer Kontrolle alles glatt läuft, werden die Postsendungen mit einem grünen Aufkleber versehen. Darauf steht: Zollamtlich abgefertigt. Die Postsendung kann zugestellt werden.

Die Zöllner bemerken bei Kontrollen auch immer wieder, dass verschickte Waren auf den beiliegenden Rechnungen günstiger gemacht werden, um Steuern zu sparen. Für alles über 22 Euro – dort liegt die Wertgrenze – werden Abgaben erhoben. Daher müssen die Beamten auch häufig Plausibilitätsprüfungen vornehmen und Internet-Recherchen zur Preisermittlung. In 4000 bis 5000 Fällen pro Monat werden die Empfänger im Nachhinein zur Kasse gebeten. (dpa)